Sonntag, 24. Februar 2013

NEUNUNDFÜNFZIG


Kennt ihr das Gefühl jemanden zu lieben, obwohl man weiß, dass es aussichtslos ist? Nein? dann erzähle ich euch mal meine Geschichte.
Anfang 2012 habe ich mich von meiner bisher längsten Beziehung verabschiedet. Ein dummer Fehler meinerseits hat mal wieder alles kaputt gemacht, was kaputt gehen konnte. 
Ohne Herz oder Anlaufpunkt irrte ich ein halbes Jahr durch die Straßen. Den einzigen angeblichen Halt fand ich im Gras und gelegentlichen Liebschaften. Ich fühlte mich allein, verloren und vergessen von der Welt. 
Natürlich setzten meine Freunde alle Verkupplungshebel in Bewegung, also schlug ich meine Zeit mit schlechten bis grauenhaften Rendezvous tot, bis ich eines Tages "ihn" kennen lernte, den Mann, um den es in dieser Geschichte gehen soll, nennen wir ihn hier einfach Tom. 
Schon vom ersten Moment an merkte ich, dass Tom anders war als die ganzen 08/15-Typen, die mir bis dahin unter die Augen gekommen waren.
Er war witzig, gebildet, hatte einen Hang zur Arroganz und war selbstbewusst genug, um mir entgegen zu treten. Ich muss zugeben dass er mich faszinierte, bis zum Schluss, was bei mir nicht leicht ist, denn ich bilde mir ein, alles im Leben schon gesehen zu haben.
Das erste Treffen verlief ganz nach meinen Wunschvorstellungen: Er hielt mir die Tür auf, bezahlte aber nicht für mich. Er küsste mich, aber ließ mir genug Raum um zu entscheiden, ob auch ich auf den Kuss eingehen würde.
Natürlich tat ich es. Seine Anmut, sein Lachen und seine Eloquenz blendeten mich, lullten mich ein und ließen mir kaum Luft. Für mich war Tom das Ebenbild eines Mannes, mein wahrgewordener Traum, die Personifikation meiner Wunschvorstellungen. 
Die Zeit verging wie im Flug. Abends brachte er mich in seinem Auto nach Hause und fragte mich, ob ich noch einmal mit ihm ausgehen wolle. Selbstverständlich bejahte ich seine Frage, lag stundenlang wach und spürte die Schmetterlingsflügel gegen meine Bauchdecke klopfen.
Nächster Tag, nächstes Treffen. Ich verlor fast den Boden unter den Füßen vor Schwärmerei, wurde fast verrückt vor Verlangen. 
Die Tage, Wochen und Monate verstrichen. Seine Arme wurden meine Rüstung, seine Stimme mein Beruhigungsmittel. Er schirmte mich von all den schlechten Dingen auf der Welt ab und sorgte dafür, dass mein Herz an all dem Kummer und Leid nicht zerbrach.
Doch ich merkte, dass etwas fehlte. All diese Harmonie, diese Liebeleien, das war nicht ich. Niemals wollte ich Harmonie in meinen Beziehungen, ich liebte Streits, Dramen, knallende Türen und zerbrechende Scheiben. Ich liebte Leidenschaft, doch die gab es bei uns nicht.
Ich liebte ihn, soviel war klar und dessen war ich mir auch bewusst. Aber ich wusste auch, dass die Beziehung, die wir führten, mich immer unglücklicher machte, obwohl sie genau das Gegenteil tun sollte.
Niemals hätte ich es für möglich gehalten, wie wichtig Leidenschaft, oder Hingabe, oder Passion, für die Liebe ist. Wie oft habe ich mir eingeredet, dass wir kein Verlangen bräuchten, dass die pure Liebe Grund genug für unser Verhältnis wäre.
Wie falsch ich lag. Mit jedem Tag wurde ich unzufriedener, stellte alles in Frage, die Liebe, die Beziehung, den Sinn. Ich versuchte zu streiten, doch es gelang mir nicht. Die Dispute, die ich hervorrief, brachte er mit ein, zwei Sätzen zum Erliegen.
Und irgendwann wachte ich auf und merkte, dass es nicht funktioniert. Ich wusste, dass Liebe allein nicht klappt und ich wusste, dass ich es beenden musste. Doch wie bringt man einem Menschen bei, dass eine Beziehung trotz Liebe sinnlos ist? Wie sollte ich Tom erklären, dass ich an der Liebe zerbrach?
Ich fand die Worte nicht. Redete mich heraus, stammelte herum, brachte fadenscheinige Ausreden zutage. Natürlich glaubte er mir nicht, akzeptierte mein Gebrabbel nicht, verständlich. Ich redete wirr, mir die Zunge fusslig, Kauderwelsch und Schabernack.
Seine Fragen bohrten sich in mein Herz, ich wusste keine Antworten. Denn es gab keine, es gab nur diese eine Tatsache, die doch alles über den Haufen warf, was ich mir bis jetzt über die Liebe angeeignet hatte.
Seitdem sind fast 4 Monate vergangen. Noch immer ist sein Gesicht in meinem Kopf und ich spüre die Flügel gegen meinen Bauch schlagen, wenn ich seinen Duft rieche. Er wohnt jetzt in einer anderen Stadt. Als ob es das leichter machen würde. Denn wie bringt man dem Herzen bei, nicht mehr zu lieben, wenn es das doch so sehr will?