Sonntag, 9. Dezember 2012

DREIUNDFÜNFZIG

Die große schwere weiße Tür des Büros meines Schulleiters öffnet sich. Streng sieht er zu mir hinunter, dann wandert der Blick zu meiner Mama.
"Guten Tag Frau G., schön, dass Sie hier sind, es wird höchste Zeit, dass wir über Ihre Tochter reden."
Mama blickt zu mir rüber, ich schlucke. Dieses Augenbrauenzucken kenne ich, das heißt nichts gutes.
"Nehmen Sie doch Platz."
Ich setze mich auf den Stuhl, der am nächsten an der Tür steht, gleite aus meinem Mantel, verschränke die Beine und Finger.
"Es geht um die Fehlzeiten von Jessica."
Fuck. Ich hab doch extra erklärt, warum ich so oft nicht in der Schule bin.
Unsere stellvertretende Schulleiterin sieht mich an. "Ich habe doch erst letzte Woche mit dir darüber geredet, und jetzt fehlst du schon wieder 2 Tage hintereinander."
Was soll ich denn machen? Ich habe halt nicht die Kraft, jeden Scheiß morgen aufzustehen und so tun, als würde es mir blendend gehen. 
Aber ich nicke bloß mit dem Kopf, blicke stur auf meine Knie. Ich will niemanden ansehen.
"Darf ich dich noch was fragen?" Ich nicke wieder.
"In welchem Sportkurs bist du?"
Shit. Genau darum hätte ich mich kümmern müssen. Hätte zu den Sportlehrern gehen sollen. Aber ich war zu beschäftigt damit, überhaupt irgendwo zu erscheinen.
-"Ich weiß es nicht." flüstere ich.
-"Das habe ich mir gedacht" antwortet sie.
"Jessica," fängt mein Schulleiter an, " bei Ihrem Pensum an Fehlzeiten können Ihre Lehrer Sie nicht mehr bewerten. Sie stehen in zu vielen Kursen bei 0 Punkten."
Oh verdammte Scheiße...
"Wie verbleiben wir jetzt?" fragt er mich.
Ich schlucke. Versuche, die Wut auf mich selbst runterzuschlucken, die Angst, die Tränen.
"Fachabi?" bringe ich hervor.
"Den theoretischen Teil haben Sie ja bereits mit Beendung der 11. Klasse erreicht. Nun fehlt Ihnen nur noch der praktische Teil. Entweder ein einjähriges Praktikum oder eine zweijährige Ausbildung. Die Entlassungspapiere für die Schule gebe ich Ihnen gleich mit, füllen Sie sie aus und bringen Sie sie morgen ins Sekretariat."
Ich stehe auf, nehme die Papiere an mich. "Alles Gute für Ihren weiteren Weg." höre ich meinen Rektor noch sagen, aber in dem Moment klingt es wie bloßer Hohn.
Meine Mama blickt mich an, leicht schockiert.
"Das war ein Rausschmiss" sagt sie.

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