Montag, 31. Dezember 2012

FÜNFUNDFÜNFZIG

Ein Jahr ist vorbei.
Ein Jahr voller Höhen und Tiefen, voller Freundschaft und Verachtung, mit einer Prise Traurigkeit und einem großen Schuss Glück.
Ich habe in diesem einen Jahr geschafft, mich selbst kennenzulernen, ich habe Menschen getroffen, die mir die Augen geöffnet haben und mein Herz auf eine Weise berührten, von der ich es nie für möglich gehalten habe, dass sie existiert.
Ich habe geliebt in diesem Jahr, Gott, was habe ich geliebt. Doch Liebe und Leid kommt nur im 2er-Pack.
Viele Herzen sind 2012 gebrochen, viele Male war es meins. Aber ein Mensch unter all den Milliarden von Menschen hat mich gerettet. Hat mich aus der Scheiße gezogen, in der ich knietief stand, mich vorm Ertrinken in meinen Sorgen gerettet. Er hat mich zum Lachen gebracht, mir in den traurigen Tagen ein Licht in der Dunkelheit geschenkt und mein Herz gewärmt.
Aber auch alte Freundschaften wurden gefestigt. Bekannte wurden zu Freunden, Freunde wurden zu Söhnen, aus zwei Gruppen wurde eine Gemeinschaft.
Und dann gibt es noch David. David, der mich aufgebaut hat, mir immer ein Lachen beschert, wenn ich es brauche, mir seine Schulter zum Weinen schenkt. Er ist mein zweites Zuhause geworden. Home is where the heart is.
Danke 2012 für all deine Ecken und Kanten. Für das Lachen und Weinen. Für Liebe und Hass und für die grandiose Silvesterparty, die heute Abend kommt.
Danke & Fuck off.

Mittwoch, 19. Dezember 2012

VIERUNDFÜNFZIG

Der Drehstuhl quietscht leise und sackt leicht nach unten, als ich mich auf ihm niederlasse. Ich blicke auf die Uhr - 10.35 und ein paar zerquetschte Minuten. Seufzend stecke ich mir eine Lucky Strike in den Mund, suche nach einem Feuer, nehme schließlich mit einem prüfenden Blick in den Überwachungsmonitor ein Feuerzeug aus dem Regal.
Der erste Zug schmeckt bei Luckys immer nach nichts. Ich betrachte die Spitze, um mich davon zu überzeugen, dass sie auch wirklich brennt. Der blaue Rauch streicht über meine Wangen, wandert höher, bis er zu meinen Augen gelangt. Ich huste einmal und blinzel, denn der Qualm der Zigarette lässt meine Augen tränen.
Noch ein Zug, dann schnappe ich mir meine Kaffeetasse, in der löslicher Netto-Cappuccino, übersüßt mit 3 Stück Zucker, herumschwimmt, nehme einen hastigen Schluck und verbrenne mir die Zungenspitze.
Leise fluchend blicke ich aus der Fensterscheibenfront, sehe die Menschen im Weihnachtsstress vorbeihasten, ab und an einen flüchtigen Blick in den Laden werfend, aber niemand kommt herein.
Wie im Zeitraffer ziehen die Minuten an mir vorbei. Meine Augen wandern von der Uhr, zum Monitor, zur Fensterfront, auf mein Handy und wieder zurück und die Einsamkeit überfällt mich.
Ich sehe die gehetzten Gesichter der Menschen, sehe den Stress, den Frust. Fühle den ganzen Ärger, will mich am liebsten verkriechen.
Das ist keine Liebe mehr. Das ist nur noch Geld.

Sonntag, 9. Dezember 2012

DREIUNDFÜNFZIG

Die große schwere weiße Tür des Büros meines Schulleiters öffnet sich. Streng sieht er zu mir hinunter, dann wandert der Blick zu meiner Mama.
"Guten Tag Frau G., schön, dass Sie hier sind, es wird höchste Zeit, dass wir über Ihre Tochter reden."
Mama blickt zu mir rüber, ich schlucke. Dieses Augenbrauenzucken kenne ich, das heißt nichts gutes.
"Nehmen Sie doch Platz."
Ich setze mich auf den Stuhl, der am nächsten an der Tür steht, gleite aus meinem Mantel, verschränke die Beine und Finger.
"Es geht um die Fehlzeiten von Jessica."
Fuck. Ich hab doch extra erklärt, warum ich so oft nicht in der Schule bin.
Unsere stellvertretende Schulleiterin sieht mich an. "Ich habe doch erst letzte Woche mit dir darüber geredet, und jetzt fehlst du schon wieder 2 Tage hintereinander."
Was soll ich denn machen? Ich habe halt nicht die Kraft, jeden Scheiß morgen aufzustehen und so tun, als würde es mir blendend gehen. 
Aber ich nicke bloß mit dem Kopf, blicke stur auf meine Knie. Ich will niemanden ansehen.
"Darf ich dich noch was fragen?" Ich nicke wieder.
"In welchem Sportkurs bist du?"
Shit. Genau darum hätte ich mich kümmern müssen. Hätte zu den Sportlehrern gehen sollen. Aber ich war zu beschäftigt damit, überhaupt irgendwo zu erscheinen.
-"Ich weiß es nicht." flüstere ich.
-"Das habe ich mir gedacht" antwortet sie.
"Jessica," fängt mein Schulleiter an, " bei Ihrem Pensum an Fehlzeiten können Ihre Lehrer Sie nicht mehr bewerten. Sie stehen in zu vielen Kursen bei 0 Punkten."
Oh verdammte Scheiße...
"Wie verbleiben wir jetzt?" fragt er mich.
Ich schlucke. Versuche, die Wut auf mich selbst runterzuschlucken, die Angst, die Tränen.
"Fachabi?" bringe ich hervor.
"Den theoretischen Teil haben Sie ja bereits mit Beendung der 11. Klasse erreicht. Nun fehlt Ihnen nur noch der praktische Teil. Entweder ein einjähriges Praktikum oder eine zweijährige Ausbildung. Die Entlassungspapiere für die Schule gebe ich Ihnen gleich mit, füllen Sie sie aus und bringen Sie sie morgen ins Sekretariat."
Ich stehe auf, nehme die Papiere an mich. "Alles Gute für Ihren weiteren Weg." höre ich meinen Rektor noch sagen, aber in dem Moment klingt es wie bloßer Hohn.
Meine Mama blickt mich an, leicht schockiert.
"Das war ein Rausschmiss" sagt sie.

Sonntag, 2. Dezember 2012

ZWEIUNDFÜNFZIG

In einem Land, in dem die Menschen halbe Herzen sind, auf der Suche nach der passenden Hälfte, trafen zwei Herzen aufeinander. Sie verglichen ihre Kanten und merkten, dass sie für einander infrage kamen.
Glücklich darüber, sich gefunden zu haben, wanderten sie durch die Welt.
Über Berge und durch Täler, durch Sümpfe, Wälder, Wüsten, Steppen. Kein Feld war zu groß, kein Fluss zu tief, als dass sie ihn nicht hätten meistern können.
Doch die Abenteuer trugen Strapazen mit sich, die holprigen Wege und der raue Wind hatten Spuren an der perfekten Symbiose. Die Kanten, die früher perfekt ineinander passten, fingen an zu bröckeln, die Perfektion bekam Risse.
Und plötzlich stolperte die eine Hälfte, stauchelte, konnte grade so von ihrem Gegenstück am Fallen gehindert werden.
Das machte die erste Hälfte nachdenklich. Was, wenn ich wieder stolpere? Was, wenn ich falle und ihn mit mir ziehe? Dann zerpringen wir beide und das nur meintewegen.
Also entschied sich die erste Herzhälfte dafür, die zweite Hälfte ziehen zu lassen, so sehr es sie zerreißen würde.
Anfangs wehrte sich die zweite Hälfte gegen die Entscheidung: Ich fang dich, ich versprechs, du wirst nicht fallen. Doch die erste Hälfte wusste, es war bloß eine Frage der Zeit, bis auch er sie nicht mehr halten konnte.
Traurig drehte sich die zweite Hälfte um, ging ein paar Schritte und blieb stehen. Langsam drehte er sich um und trat der ersten Hälfte in den Bauch. Sie zersprang.
Do you think this is a motherfucking game?