Freitag, 23. November 2012

EINUNDFÜNFZIG

Ich trete aus der Tür, eine kalte Wand aus frostiger Luft raubt mir den Atem, kurz erschaudere ich. Den Mantel enger gezogen, Play auf meinem iPod gedrückt und mit den Händen in den Jackentaschen mache ich mich auf den Weg. I'll be your Mega Man, you'll be my Princess Peach in meinem Ohr wandere ich die menschenleeren Straßen entlang.
Am Himmel sind keine Wolken zu sehen, kleine weiße Lichter blitzen auf dem Teppich aus Dunkelheit auf, als würden sie versuchen, die Leere wegzublitzen, aber es ist aussichtslos.
'In sternenklaren Nächten ist es immer kälter.' schießt es mir durch den Kopf und ich zittere noch einmal.
Noch zwei Tage. Zwei verdammte Tage und der schlimmste Tag des Jahres beginnt. Bei diesem Gedanken muss ich schlucken, ein Klumpen Bitterkeit, Trauer und Wut bildet sich in meinem Hals, schnürt mir die Luft ab, ich merke, wie meine Beine zittern, jeder Schritt immer anstrengender wird. Ich stütze mich an einer Hauswand ab, versuche, mich zu beruhigen, aber das Zittern hört nicht auf. Die Augen geschlossen, atme ich tief durch, den Klumpen aus Erinnerungen weg.
Nach einer Weile legt sich das Herzklopfen, das Zittern lässt ein wenig nach, doch dafür spüre ich, wie etwas Nasses meine Wange herunterläuft.
'Shit!' denke ich. 'So kannst du nicht nach Hause gehen.'
Und leise singt Left Boy let me play you like a fuckin' Video game in mein Ohr.

Donnerstag, 15. November 2012

FÜNFZIG


Mein Mund fühlt sich trocken an. Ich schlucke ein paar Mal, um den bitteren Geschmack zu vernichten. Der Geschmack von Trauer ist immer bitter.
Meine Hände zittern. Ich denke an letztes Jahr. Eine leise Stimme flüstert mir Wörter ins Ohr, die Worte, die ich nie wieder hören wollte, die Worte, die so viel kaputt gemacht haben.
Die Welt verschwimmt vor meinen Augen.
Nicht auch du denke ich. Ich will dir nicht wehtun.
In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, ich weiß, dass du mich nicht verstehst, wie auch?
Wie kannst du wissen, wer ich bin, wie ich bin, wenn der Winter beginnt.
Dieser verdammte Winter. Der mir die Luft zudrückt, mich zu einem Menschen macht, der ich nie sein wollte.
Ich sehe ins Leere, meine Seele findet keinen Halt in der Welt. Die Wahrheit verdreht sich, Illusionen trüben meinen Blick. Vor meinem inneren Auge seh ich dich, jedes Detail deines Gesichts. Wie gern hätte ich dich noch einmal gesehen, hätte die feinen Linien deiner Züge mit den Fingerspitzen nachgemalt und dein Gesicht in meine Hände genommen, so wie ich es immer tue.
So wie ich es immer tat.
The people close to me say I'm in need of a doctor.

Dienstag, 13. November 2012

NEUNUNDVIERZIG

Der Garten Eden

Nur die Harten kommen in den Garten. Und was gibt es da zur Hölle?! Weint man da nie wieder?
Nein, mein Lieber. Hier ist vom Garten Eden die Rede. Dem Nirvana, dem Paradies, nenn es wie du willst, aber es ist das, was die Menschen hoffen zu erreichen.
Im Garten Eden gibt es kein Leid, kein Hass, kein Krieg, keine Tode, keine Verluste. Aber es gibt im Garten Eden auch keine Freude, keine Liebe, kein Frieden, keine Geburten, keine Gewinne.
Im Garten Eden gibt es das Nichts. Das große, stille, tiefgründige Nichts. Im Garten Eden gibt keine Gefühle, keine Freundschaften.
Nein, mein Kleiner. Der einzige Sinn des Garten Edens ist zu existieren. Er existiert als Hoffnung auf ein besseres Leben, als Entlohnung für all die Scheiße, durch die man gehen muss.
Aber was ist, wenn man nicht bloß existieren möchte? Ich will nicht bloß vor mich hinvegetieren, ich möchte belohnt werden, dafür, dass ich so viel Leid ertrage, so viele Menschen sterben sehe, so viel Hass verspüre.
Ich weiß, dass Freud und Leid nur nebeneinander existieren, aber ich möchte nicht die Freude aufgeben, um das Leid nicht mehr zu fühlen.
Es ist keine Belohnung, nicht mehr zu fühlen, es ist eine Strafe.
Und der Garten Eden ist die Hölle.